Reserva Natural Tambopata / Puerto Maldonado

Eines vorweg: ob ich den Blog überhaupt weiterschreiben kann, ist ungewiss. Der Rechner war für drei Tage lang nicht willens hochzufahren. Ziemlich unbefriedigend! Ich kann  mich an Zeiten in meiner Kindheit erinnern, da pflegte man, sofern ein Gerät nicht Recht funktionieren wollte, dieses, meist war es der klobige Röhrenfernseher, mit leichten oder gerne auch intensiveren Schlägen zum Funktionieren zu bewegen, was erstaunlicherweise auch oft gelang. Davon habe ich bisher Abstand genommen und siehe da; in der Ruhe liegt die Kraft. Mal sehen, ob das auch so bleibt!?

Der naturinteressierte Perubesucher hat in diesem Land zahlreiche Möglichkeiten und Orte seiner Naturliebhaberei nachzugehen. Einer der bevorzugten Spots ist das Naturreservat Tambopata. Bei fast allen der an übertriebener Zahl vorhandenen, meist in schäbigen Büros angesiedelten Touranbieter prangen im Außenbereich großspurige Bilder über die Fauna des Naturschutzgebietes. Riesenotter, Jaguare, Pumas, Aras, Tapire und selbstverständlich auch Affen sind dort in riesenhaften Fotografien festgehalten. Sehen tut man davon indes eher wenig, jedoch zahlt man für das Wenige einen ordentlichen Haufen Kohle. Während ich das gerade schreibe, muss ich gleich wieder an Silvia denken, dem alten Raffzahn (oder müsste man hier mittlerweile gar "der alten Raffzähnin" sagen?). Trotz ihrer offenkundigen Faulheit und Verschlagenheit muss man ihr definitiv ein gewisses Geschäftsgeschick attestieren. Ihr Englisch ist überdurchschnittlich gut und sie hat definitiv die Gabe ein höchstens mittleres Tourenqualitätslevel als Highend-Produkt zu verkaufen. Chapeau, muss man erstmal hinbekommen. Wenn man dann bezahlt hat, so wie ich, lässt sie nichts mehr von sich hören und ich steckte in der Not, an wichtige Tourinformationen anderweitig zu gelangen, was allerdings recht gut geklappt hat. Der dusseligen Kuh werde ich auf Tripadvisor und auf Google die nächsten Tagen tüchtig eins auswischen und auf besagten Seiten einen  geharnischten Kommentar über ihre fraglichen Qualitäten als Tourveranstalter verfassen. Das wird ihr gewiss nicht schmecken, aber selber Schuld; Verlogen- und Verschlagenheit dürfen nicht toleriert werden.

Ich also vor gut einer Woche, ausgestattet mit einer 4-Tages/3-Nächte-Tour (so dachte ich zumindest) für das Naturreservat Tambopata, erwartungsschwanger rein in den Nachtbus von Cusco und 10 Stunden und mindestens 200 engste Kurven später im schweißtreibend tropischen Puerto Maldonado gelandet. Was für eine Kackfahrt! Hatte extra den teuersten Bus gewählt, mit tiptop-Sesseln die man zu richtigen Betten umfunktionieren kann. Grandios bei Serpentinen. Ein unfassbares hin-und-her-Gepurzele, erst beim Erreichen des Tieflandes dämmerte ich ein wenig ein. 

Wie ich finde, hat Puerto Maldonado einen schönen Ortsnamen, doch spiegelt sich dies höchstens minimal im Stadtbild wider. So weit ich das beurteilen kann, ist kein einziges Gebäude älter als fünfzig Jahre, trotzdem ist jedes im Verfall begriffen, so dass etwa jedes zweite nur noch als Baracke bezeichnet werden kann. Menschen die mich kennen überrascht es nicht: ich fand und finde diese 70000 Einwohner zählende Stadt ziemlich einladend, da ich einem morbiden, verruchten Charme noch nie hab widerstehen können. Hier gibt es alles, was zumindest ich benötige. Da wären gutes Essen, nette Bars, üble Spelunken und auch ein gut sortierter Markt zu nennen. Zusätzlich wird hier auch anderweitig auf höchstem Niveau für das leiblich Wohl gesorgt (knick knack, sie wissen schon....)

Nach einer Nacht in einer einfachen Herberge, starte endlich die "Silvia-Tour". Angekommen am verabredeten Tourstarttreffpunkt schwante mir bei Anblick meiner restlichen Gruppe Böses. Es war augenblicklich klar, dass es die Geschicke keinesfalls gut mit mir meinten. Das vier Personen umfassende Grüppchen bestand aus einem älteren kolumbianischen Mütterchen, vor Jahrzehnten ausgewandert nach Australien, ihrer Tochter und dem vierjährigem Enkelkind. Dieser bunte Reigen wurde komplettiert durch eine Australierin meines Alters mit einem stark ausgeprägtem Hang zu halluzinogen wirkenden pflanzlichen Extrakten. "Und was war daran jetzt so schlimm?" mag sich nun der eine oder andere fragen, Meine Antwort: die drei besagten Frauen hätten in jedem Redewettbewerb die ersten drei Ränge belegt, das Kind indes den ersten Platz bei einer Schreikompetition. Diese Eigenschaften sind dem Gelingen einer Tour mit Schwerpunkt "Tierbeobachtung" nicht zuträglich und bei dieser Aussage lasse ich mitnichten ein "aber..." zu, es sei denn es handelt sich bei dem Naturrefugium um ein Reservat für gehörlose Lebewesen. So wurden bei den ersten beiden Wanderungen in Grüne auch lediglich ebensolche Tiere entdeckt, Spinnen und Insekten - zum Heulen!
Bei der Papageinenlecke-Tour wurden die fantastischen Vier erfreulicherweise ohne mein Zutun ordentlich eingenordet. Unser Tourguide ahnte wohl, das ich bei Extrakosten von 110$ abzüglich, wie sich erst später herausstellen sollte, eines kompletten Tourtages, ausgerastet wäre, hätte ich wegen der Plapper- und Schreierei kein einziges buntes Federtier zu Gesicht bekommen. So war der Tag das Geld durchaus wert!

Abendstimmung am Rio Tambopata

Meine dortige, sehr einladende Unterkunft


Der kleine Schreihals. Im Grunde genommen ein ganz entzückender kleiner Knirps. Wären da nicht seine Schreianfälle...

Ausbeute der 2. Wanderung: eine taube Vogelspinne.


Auf dem Weg zur Papageienlecke bekamen wir allerlei zu Gesicht. Hier ein Halsbandpecari,


...dort ein Capybara (Wasserschwein)

...und final die Papageinlecke. Hier mit Hellroten Aras, Gelbbrustaras und etlichen anderen Papageien


Nach nur einer Nacht in der tollen Lodge und dem Besuch der Papageienlecke wurde ich von dem illustren Grüppchen getrennt und mit Auto und Boot in die entfernte Unterkunft von Halsabschneider-Silvias Familie gebracht. Auch schon ganz nett die Hütten, das Gelände jedoch immer dunkel, da das gesamte Areal der Lodge nicht von den Bäumen befreit wurde. 
Die Nachtwanderung mit dem, allen Anschein nach, lustlosesten Guide aller Zeiten, lohnte. Neben allerlei sechs- und achtbeinigem Getier, machte der träge Trapper immerhin auch eine große Gruppe an Schwarzköpfigen Nachtaffen aus.
Am nächsten Tag sollte mein persönliche Highlight stattfinden, einer Tour zum Lake Sandoval, der Heimat zahlreicher Affenarten und vor allem auch des Riesenotters. Auch die anderen Tourteilnehmer, ein österreichisches Pärchen und drei Stundenten/innen aus Baden-Württemberg waren entsprechend ungeduldig endlich das Ruderboot für die Bootstour zu besteigen. Was macht unser Guide? Erstmal kundtun, dass wir die Otter sowieso nicht zu Gesicht bekommen werden, da diese bereits seit Monaten aus unerfindlichen Gründen verschwunden sind. Ganz toll, aber immerhin ehrlich. Hätte ihn am liebsten trotzdem mit einem Klotz beschwert und ihn eins mit dem Seegrund werden lassen. "Verschwunden" klingt aus Silvias Mund übrigens "you have at least a 50% chance to see them". Dazu braucht man nichts mehr zu sagen. Letztendlich sichteten wir dort im Uferbaumbestand zahlreiche Affen und Wasservögel, dazu im Wasser Schwarze Kaimane und eine junge Anakonda beim Verzehr von Kaulquappen.

Ein Gruppe des Bolivianischen Brüllaffen

Dieser Schwarze Kaiman muss noch ein paar Jährchen wachsen, bis er seine Maximallänge von sechs Metern erreichen wird.

Nicht sehr scheu sind Bolivianische Totenkopfaffen

Als mich unser träger Guide beim Abendessen, nach der Pleite mit den nicht vorhandenen Ottern, fragte, wann ich denn morgen abzureisen gedenke, damit er das Boot für mich reservieren könne, verstand ich die Welt nicht mehr, hatte ich doch noch eine weitere Nacht.
Weit gefehlt, stellte sich heraus. Wie ich bereits weiter oben erwähnte, "befreite" mich der Papageientrip von einer weiteren Nacht. Auf meiner Buchungskopie wird der Verlust eines Tages durch den Leckenbesuch weder auf dem ersten, noch auf dem zweiten oder sonst irgendeinem Blick, deutlich. Hände weg von Leisure Travel in Cusco samt der Besitzerin Silvia!!!

In aller Herrgottsfrühe fuhren die drei Studis und ich also am nächsten Morgen zurück nach Puerto Maldonado. Die Drei dann zum Flughafen und ich zurück zur "Villa Hermosa", einer Unterkunft, die gemäß meiner obigen Beschreibung, ebenfalls ziemlich in die Jahre gekommen ist. Die Unterkunft überzeugt aber auf anderer Ebene, nämlich einer außergewöhnlichen Sauberkeit, günstiger Preise, einem großem Pool und einem schier unerschöpflichen Biervorrat. Letzterem bemächtigten wir uns ("uns" sind zwei witzige, gerade eingetrudelten Prager und ich) in übermäßigem Maße bis zur Schlagseite. Um dies ein wenig zu neutralisierten, packten die beiden Jungs irgendwann ein kleineres Päckchen mit hellem Inhalt aus. Leider war das Päckchen, da nur noch aus Resten bestehend, schnell geleert und ich nicht mehr zu bremsen. Fünf Minuten später torkelte ich spätabends allein durch dunkle, üble Gegenden gen City. Mein erster Zwischenstopp das ansässige Kommissariat. Allerdings nur, um dort meine Notdurft zu verrichten. Hier befand sich, laut Aussage einer Straßenverkäuferin, das weit und breit einzige halbwegs öffentliche WC. Danach war alles schnell erledigt. Moto-Taxi in die City, dort den einen oder anderen Taxifahrer befragt und schon war das Päckchen wieder voll. Später und zurückgekehrt zum Hostal, waren wir das auch und die Nacht wurde lang. Sehr lang. 

Zwei Tage später, ein Tag Rekonvaleszenz war mehr als angebracht,  unternahmen wir drei die "tollste" Tour schlechthin. Ein Trip zum Lago Valencia. Unberührte Natur, unberührter Regenwald. Vermittelt wurde uns das ganze von meinem ehemaligen "Papageien"-Tourguide Fernando. Das Fernando uns dann plötzlich an seinem Kollegen Anederson weitervermittelt hat, hätte uns stutzig machen sollen. Hat es auch, aber leider nicht hinreichend. Was wir dort an Stümperhaftigkeit erleben mussten, schlug jedem Fass den Boden aus. Bereits zu Anfang saßen in dem Boot, eine altersschwache Nussschale, deren Reling sich wahrheitsgemäß lediglich 10 Zentimeter über der Wasseroberfläche befand, neben unserem Guide, drei weitere uns völlig unbekannte Leute, daneben ein riesiger Sack Reis, unzählige Konserven usw. Es ist überhaupt schon ein kleines Wunder, dass wir nach zweistündiger fahrt dort unbeschadet angekommen sind. Weder nahe des Sees, noch nahe des Flussufers dann völlige Ernüchterung. Statt des primären Regenwaldes nur Anpflanzungen aller Art, Maisfelder befanden sich neben Bananenflächen, diese wiederum wurden abgelöst von Papayas. Hier und dort Limonen und mir unbekannte Palmen. Entsetzen und Sprachlosigkeit. Als uns Anderson bereits auf der Bootsfahrt eine Überraschung versprach, meinte er Sicherlich nicht das, aber die Überraschung war ihm gelungen. 
Wir gelangten nach kurzem Fußmarsch zur Hütte seines Vaters, der vorher unser Skipper war. Wie aus dem nichts kamen immer mehr Leute aus den Büschen und wir verstanden. Hier wird auf Kosten dreier europäischer Einfaltspinsel ein kleines Fäschtle gegeben. Wir machten gute Miene zum bösen Spiel und hatten einen sogar ganz netten Abend am Lagerfeuer. Kommunikation eher schwierig, da niemand außer Anderson Englisch sprach, die Nachtwanderung fürchterlich, da die einzigen Lebewesen im angrenzend Regenwald (den gab es dann wirklich) Moskitos zu sein schienen.

Wenn man nun denkt, es kann nicht schlimmer kommen, irrt man sich meistens. Ausgeschlafen, die uns bereitgestellten Matratzen befanden sich unter einem Dach, waren sehr bequem, mit Moskitonetzen versehen und erlaubten somit einen tiefen Schlaf, begaben wir uns auf den Tierbeobachtungswalk durch den Wald zum See. Nach ziemlich genau 300 Metern hörte der Weg urplötzlich auf. Überwuchert, da seit Jahren nicht mehr benutzt. Wir benötigten sage und schreibe dreieinhalb Stunden für die restlichen zwei Kilometer zum See, mussten durch Wasserflächen waten und mit Macheten den Weg überhaupt wieder sichtbar machen, die Luft zusätzlich zum Ersticken, die Hitze mörderisch und die Mücken im Blutrausch. Viele Tiere bekamen wir, wie man sich gut vorstellen kann, auf der Wanderung nicht zu Gesicht. Der See hätte sein können wie er will, unsere Laune war weit unter null. Er wurde uns beschrieben als "crystal clear", die Realität gab dem Wasser die Farbe Trübbraun. Thomas und ich machten ein Nickerchen, während Richard einige Piranhas angelte. Wenigstens hatte er etwas Spaß...
Die restlichen Stunden dort sind keiner weiteren Betrachtung wert, ich kann aber getrost behaupten, dass selten Menschen am Ende einer Tour soooo glücklich über die Rückkehr waren.

Thomas, man sieht es ihm an, hat bereits vor der Abfahrt die Schnauze gestrichen voll. Man beachte die Breite und den Sitzkomfort der Nussschale.

Vogelspinne Nummer zwei. Hab ich entdeckt, der selbsternannte Guide hat gar nichts gesehen.

Abends am Lagerfeuer. Einer der Gäste zeigt uns eine Aga-Kröte

Richard im Glück mit seinem Fang: vier Piranhas!

Die einzige "Sehenswürdigkeit" von Puerto Maldonado ist der Plaza del Armas

Leider habe ich erst heute erfahren, dass sich in dem Garten meiner Unterkunft zahlreiche Tiere befinden. Darunter Agutis, Nachtaffen, Tamaduas, Hörnchen und auch der Hoatzin!

Nachtrag: Um die vorherige Bildunterschrift zu bestätigen und zu erweitern, das Hoffmann-Zweifingerfaultier gab es ebenfalls im Garten.


Nun habe ich noch zwei Stunden Zeit bis mein Nachtbus zurück nach Cusco fährt. Hoffe sehr, dort noch die Möglichkeit einer Reise zum Manu-Nationalpark zu bekommen. Falls nicht muss Plan B her. Außerdem habe ich Moskitostiche ohnehin schon mehr als genug bekommen.






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von Lima zum Touristenmoloch Cusco

lost in space (Iquitos - Tarapoto - Chachapoya - Chiclayo)