Von Lima zum Touristenmoloch Cusco

Als gar fürchterlich empfand ich den Dezember 2021; das Wetter übel, die Laune auch, Covid-19 feiert seinen zweiten Geburtstag, wächst und gedeiht weiterhin, und ich kann mich nicht zu einer simplen Flugbuchung in sonnigere und fröhlichere Gefilde durchringen. So wollte ich es partout nicht akzeptieren, mich diesmal alleine auf den Weg begeben zu müssen, wollte mich unbedingt abermals mit Pascal auf das Abenteuer Pulverbaumsuche Part 2 begeben. Aber wie man sieht, wurde nichts daraus; er lustig hüpfend in irgendwelchen Rotlichtetablissements Bangkoks unterwegs und ich friere mir den Arsch auf den hochgelegenen, andinen Ursprungsäckern der Kartoffel ab...

Mein Air France-Flieger verließ den Großflughafen Berlin-Brandenburg, kurz BER, pünktlich am 28.21.2021 um 06.25. Die Tage vorher praktisch nicht geschlafen zu haben erwies sich nicht zum ersten Mal als wenig visionär, hatte allerdings den winzig kleinen Vorteil etwas im Flieger schlummern zu können. Dennoch: ein Interkontinentalflug vergeht immer in Ultra-Slow Motion, vermutlich selbst in der Business-Class. 
Aus alter und dummer Gewohnheit (zumindest bei ausgebuchten Flügen langer Dauer und vielen Getränken währenddessen) wähle ich gerne bei Wahlfreiheit den Fensterplatz, am liebsten ohne Flügel unterhalb des Fensters, um bei unbedeckten Himmel aus der Vogelperspektive allerlei Schönes dort unten ausmachen zu können. Derlei Wohltuendes bleibt einem beim Landeanflug auf Lima vollständig verwehrt. Ich dachte zunächst, wir seinen entführt worden und landen gleich in Saudi Arabien oder irgendeinem Kalifat. Weit und breit nicht ein Fitzelchen Grün welches sich kämpferisch der Sonne entgegenstreckt, nur kargste Einöde. Ich war erschüttert!

Obschon sich Lima, daher auch die absolute Trockenheit, im Bereich der südamerikanischen Küstenwüstenzone befindet, haben sich die Stadtväter seit jeher augenscheinlich erfolgreich bemüht, der Stadt durch mannigfaltigste Anpflanzungen einen halbwegs freundlichen Charakter zu geben. Trotzdem bleibt die Stadt was sie ist und zwar eine der größten Menschenansammlungen des Planeten und somit für den Start einer Reise nur bedingt geeignet. Erschlagen von der schieren Größe und Menschenmasse fiel es mir leicht Lima nach nur drei Nächten und einem Mindestmaß an Sightseeing zu verlassen.


Zufall oder nicht, die Calle Berlin überzeugt durch eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Kneipen

Trinkgelage mit meiner Kollegin Naty und zahlreichen Pisco Sour, dem Nationalgetränk des Landes. War am Ende des Abends froh nicht die ganze Nacht mit Übelkeit auf dem Klo verbringen zu  müssen

...und hier eines der Nationalgerichte: Ceviche. Hierbei handelt es sich um vorwiegend rohe Meeresfrüchte, welche mit "Leche de Tigre", einer Mischung aus Limettensaft, Chillies und Salz, mariniert werden. Sieht vielleicht nicht danach aus, war aber sensationell!

Cusco ist mit einer knappen halben Millionen Einwohnern die sechstgrößte Stadt des Landes. Gelegen auf mir deutlich zu hohen 3400 Metern über den Meeresspiegel, erfreut sich die Stadt angenehmer Tagestemperaturen (um etwa 22°C), dafür aber lausigen Nachtwerten im mittleren einstelligen Bereich. Mich am 31.12., also an Silvester, hierhin zu begeben hatte zwei Gründe: Erstens gilt diese Stadt, vollkommen zu Recht, als Zentrum und Ausgangspunkt zahlreicher touristischer Attraktionen und Aktivitäten, zweitens wollte ich ordentlich ins neue Jahr feiern, was in Lima aufgrund von höchster Stelle angeordneter Schließung jedweder Spaßeinrichtungen (Bars, Clubs und vermutlich auch Bordellen) so nicht möglich gewesen wäre. Was mir nicht klar war: Selbiges Dekret griff lausigerweise auch in Cusco. Stutzig wurde ich diesbezüglich, als sich die Menschen in den gerammelt vollen Straße und Gassen, jene Lustwandler ebenfalls ordentlich voll, bereits gegen 22:00 ein Frohes Neues wünschten. Spätestens um 22:30, beim Rauswurf aus meiner Wahlkneipe, wurde mir das volle Ausmaß des Feierdesasters bewusst: Hier geht nichts mehr um Mitternacht! 
So verbrachte ich den Jahreswechsel wenig spektakulär, deutlich ernüchtert und wegen der ungewohnten Höhenluft mit rasenden Kopfschmerzen ausgestattet in meinem Hotelzimmer. Einen formidablen Jahresbeginn stellt man sich mit Fug und Recht anders vor!

Mittlerweile verweile ich in Cusco bereits seit fünf Tagen, habe einiges an Exkursionen unternommen und die Stadt durchaus lieb gewonnen. Die Renaissance-Altstadt ist größtenteils original erhalten, die Bandbreite an Ausflügen und Unternehmungen riesig und das Gastro-Angebot phänomenal. Wer sich hier langweilt, wäre dann wohl auch vom sündigen Babylon oder dem Party-Berlin der 20er Jahre angeödet gewesen.

Hier die Kathedrale von Cusco. Von diesen fetten Sakralklumpen haben die Spanier einst jede Menge in dieser Stadt erbaut, dafür aber die Tempel der Inkas zerstört. Vor einigen Tagen sagte mir ein Spanier allen Ernstes, dass die Indigenen doch recht froh über den Einmarsch der Spanier im 17. Jh sein könnten, hätten jene doch die tollen Kirchen und die einzig wahre Religion hinterlassen. Die Frage, ob dass die Einheimische damals genauso haben betrachten können, muss definitiv verneint werden!! Was für ein Spinner, dieser Spanier!

Inka Relikt No.1, mit Terrassenanbau

Inkarelikt No. 2, ohne Terrassenanbau

Wie einst in Bolivien, sind auch hier die Obststände auf dem Markt ein Quell der Freude für mich. Zahlreich die Diversität der Früchte im Becher, klein der Preis. Wichtig beim Kauf darauf zu achten, dass das ohnehin schon süße Obst nicht noch mit einem tüchtigen Schuss Sirup oder Honig noch "leckerer"  gemacht wird.

So sehe ich derzeit aus. Kaum verändert, würde ich meinen. Fotogen werde ich vermutlich nie werden; ein Jammer!


Diese beiden Aufnahmen entstanden an der selben archäologischen Städte. Links eine Mauer von den Spaniern gemauert, rechts das eindeutig präziser gearbeitete Gegenstück der Inkas, mindestens ein Jahrhundert älter. Dazu meine Theorie, die die bisherige Annahme, warum das Inkareich, nämlich aufgrund kriegerischer Aktionen seitens der Spanier, untergegangen ist, gehörig auf den Kopf stellen könnte:
Als also damals die Spanier im 17. Jahrhundert im heutigen Peru einmarschierten, wurden sie erstaunlicherweise von den herrschenden Inkas aufs höchste Willkommen geheißen, was die verdutzen Spanier dazu veranlasste, hier nicht gleich die Büchse und Hellebarde sprechen zu lassen, sondern ausnahmsweise mal die Friedenstaube. Natürlich lag es den Neuankömmlingen sehr am Herzen, hier auch ihrem Gott Gedenken zu können und erbauten, mit wohlwollendem Einverständnis der Inkaherrscherkaste, ihre ersten Kirchen. Natürlich fanden es die einheimischen Steinmetze, bis heute unübertroffen in ihrer Präzision, interessant, den spanischen Bauherren und Bauarbeitern bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Nachdem die ersten fünf, sechs Steinreihen der Grundmauer einer x-beliebigen Kirche fertiggestellt wurden, lachten sich die sicherlich großzügig mit einem Premium-Inkaschnaps berauschten ansässigen Maurer, ob der aus ihrer Perspektive Kindergarten-Klotzbauweise der Spanier derart kringelig, dass es den massiv in ihrem Stolz verletzten Spaniern zu bunt wurde und sie alle Prachtbauten der Inkas, nebst ihrer Bewohner in Klump und Asche schlugen. So profan ging leider die Kultur der Inkas, ihre Architektur und vor allem die Rezeptur einer der besten Spirituosen die je auf Erden verköstigt wurde in der Unendlichkeit von Zeit und Raum verloren. 
So und nicht anders ging also das Reich der Inkas unter; sehr schade!

Immer am Ende einer touristischen Attraktion: die tingeltangel Nippesstraße mit zwar schön buntem, aber ansonsten meist nutzlosem Zeug.

Wenn ich doch nicht ein so sparsamer Ostwestfale wäre, eine Nacht in einer Skyloft-Kapsel - das wäre was. Aber halt mind. 350,- Euro pro Nacht, eindeutig zu teuer. Insbesondere da sich das Klo auch noch im Zimmer befindet...

Leider zum Kuscheln etwas knusprig geraten: mein erstes Meerschweinchen. 

Marktstand in Cusco. Kartoffeln sucht man auf dem Bild vergeblich. Das liegt daran, dass es, aufgrund der Vielzahl an Sorten, eigene Kartoffelstände gibt. Ferner interessant: Aus dem fast schwarzen Mais wird eine Limo gewonnen.







Kommentare

  1. Hi Olle, wir haben uns schon Sorgen gemacht, wo du steckst. Schöne Reportage, aber bitte keine kleinen Schweinchen mehr, da bekommst du doch Alpträume von. Alles Gute, Willy

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