Arequipa und der Colca-Canyon

Endlich! Endlich ist es vollbracht und Cusco ein für alle mal verlassen. Nicht, das die Stadt übel gewesen wäre, ganz im Gegenteil, sie bestach durch allerlei Vorzüge. Allerdings auch einen ganz gewaltigen Mangel über den ich unter keinen Umständen hätte hinwegsehen wollen, geschweige denn können; dem Mangel an ordentlichen Temperaturen. Da reist man doch nicht um den halben Globus um mehr oder weniger den gleichen deprimierenden Witterungen ausgesetzt zu sein wie derzeit in Mitteleuropa. Ich bin ja schließlich kein Mensch mit ausgeprägten masochistischen Tendenzen. Zumindest soweit ich das meine beurteilen zu können. 
Also auf nach Arequipa, der mit ziemlich genau einer Millionen Einwohnern, nach Lima zweitgrößten Stadt Perus. Anders als im kleineren Cusco, geht von Arequipa eine gewisse Langsamkeit aus, fast müsste man Trägheit sagen. Es mag vielleicht ein wenig daran liegen, dass Arequipa vor etlichen Jahren nicht zur Hauptstadt gewählt wurde, sondern das vor Menschen überbordende Lima. Da sitzt der Stachel tief! Auch würde der typische Arequipeño  auf die Frage in welchem Land er denn lebe, niemals mit "Peru" antworten, sondern stets mit "Arequipa". Gemeint ist damit das mit der Stadt gleichnamige "Bundesland" Arequipa. Zusammenfassend kann somit gesagt werden: die Region Arequipa ist das Bayern Perus! Hier ist man gemütlich und im tiefsten Innersten leicht gekränkt, da man ja eigentlich Hauptstadtbewohner sein müsste. Diese Eigenschaft wird ganz klar weitervererbt, da auch jüngere Einwohner Lima als "mierda" bezeichnen.

Abgesehen von den sehr stolzen Bewohnern hat die Stadt und das nähere Umland das eine oder andere Schmankerl zu bieten. Innerhalb der Stadt wären da einige ordentliche Museen und ein uraltes Kloster gewaltigen Ausmaßes zu nennen. Auch wird der trink- und feierfreudige Mensch nicht im Regen stehengelassen. Zahlreiche Bars laden mit stets freundlichen Bedienungen zum Absturz ein. Ist man bereits alkoholisch derangiert, helfen die besagten Tresenkräfte auch gern mit aus heimischen Pflanzen gewonnenen Energiespendern aus. Wie gesagt, die Stadt hat ihre Vorzüge! 

In der Umgebung kann der umtriebige Tourist einen enormen Wasserfall, eine Salzwüste mit Salzsee, drei unsagbar anstrengend zu besteigende Vulkane, oder auch den Colca-Canyon besuchen. Der Wasserfall kam nicht in die engere Wahl, da ich bereits im Besitz der vermutlich weltweit größten Wasserfallfotosammlung bin, wie ich einfach mal so ohne Beleg in den Raum stelle. Nach Salzwüste stand mir auch nicht der Sinn, besuchte ich doch vor gar nicht allzu langer Zeit die Salar de Uyuni und diese Salzebene ist de facto nicht zu toppen.

Somit also der Canyon. Bei den Menschen die ich unterwegs bereits traf und die diese Tour bereits unternommen hatten gab es nur schwarz oder weiß. Die eines sagten "spar dir bloß den Mist", die anderen "musst du unbedingt hin". Da mir alle der Ratgeber relativ klaren Geistes schienen, grübelte ich darüber nach wie es denn möglich ist, zwei so voneinander unterschiedliche Meinungen vorzufinden und kam zu dem richtigen Schluss, dass es vermutlich mit der Dauer des Trips zu tun haben mag. Alle Eintagesbesucher fanden den Canyon blöd, diejenigen mit Mehrtagestour grandios. Ich also bei mir im schnuckeligen Hotel nach aufwendiger Netzrecherche die Dreitagestour gebucht, da diese dem rauchenden, alternden Lebemann aufgrund der anstrengenden Wanderung wärmstens angeraten wurde. 

Die drei Tage im Canyon waren ganz vortrefflich. Egal ob der Canyon nun der tiefste oder der zweittiefste ist oder sonst wo im Ranking tieftser Canyons der Erde steht, die landschaftliche Szenerie ist so beeindruckend, dass sie einen winzig und ganz und gar unwichtig erscheinen lässt. Demut macht sich im Herzen breit.
Zusätzlich hatte ich das Glück mit ziemlich witzigen Leutchen unterwegs zu sein, einzig die Unterkünfte konnten nur als Bruchbuden bezeichnet werden. Daher hab ich mich in der zweiten Nacht nicht lumpen lassen und für ein kleines Sümmchen das Zimmer deutlich upgegradet. Eine weitere Winzigkeit des Ungemachs gab es dann aber doch noch. Aus mir heute unerfindlichen Gründen erschloss es sich mir nicht, dass es nach einen Abstieg von 3300 Metern auf 2200 Meter vergleichsweise logisch ist, diesen Höhenunterschied später einmal in umgekehrte Richtung bewältigen zu müssen. Es war die Hölle! Morgens um kurz vor vier allein (die übrige Gruppe bestand ausschließlich aus Mitzwanzigern mit sehr fittem Erscheinungsbild, so dass ich es bevorzugte einen halbstündigen Vorsprung zu haben) mit Handy als Taschenlampe in der Hand einen schier unendlichen Zickzack-Pfad hochzustolpern erbaut den schlaftrunkenen Menschen wenig. Wäre nicht zufälligerweise die mir gegenüber sehr wohlwollend eingestellte Managerin unserer Unterkunft ebenfalls auf dem Weg nach "oben" gewesen und hätte mich nicht unentwegt gepusht, mir wäre der zutiefst beschämende Aufstieg auf einem Maulesel kaum erspart geblieben.

Abschied von meinen "Manu-Begleitern" Lorena und Johannes mit Biertesting in Cusco. Ehrlich gesagt, waren drei der sechs Biere von abscheulichem Geschmack. Man sollte das Brauen von extravaganten Bieren grundsätzlich unterlassen und wenn dies dennoch sein muss, bitte in die Hände von ausgebildeten Profis geben.


Der Plaza del Armas von Arequipa. Hier trifft sich der mittellose Stadtbewohner zum Gratisflanieren, der mit monetären Mitteln Ausgestattete schmaust und trinkt indes in den angrenzenden Gastro-Betrieben.

Ihr wisst es bereits, ich liebe südamerikanische Markthallen. Täglich ein leckeres Essen und danach ein frisch gepresster Saft. Ein kleines Maß an Regelmäßigkeiten kann nie schaden.

Auf dem Weg zu Canyon. Der erste Halt der arschkalte Pass auf 4900 m Höhe. Rasende Kopfschmerzen wegen der Höhe trübten die Laune ganz massiv ein. "Wäre ich doch einfach in meinem wohlig, warmen Bett geblieben" waren meine Gedanken.

Der Anfang vom Canyon. Oder das Ende. Je nachdem von welcher Seite man es angeht.

Der einzige Kondor der am Kondor-Viewpoint zu sehen war. Irgendwie hatte ich mir das beeindruckender vorgestellt. 

Gruppenfoto nach dem ersten Tag. Der Spaßvogel halb liegend ist Nelson, unser Guide. Warum mir immer wieder Menschen ihre ganze Lebensgeschichte mit all ihren Abgründen mitteilen (Nelson), wird mir immer ein Rätsel bleiben.

Immerhin war das Bett bequem. Nach Sichtung des Fotos erschließt sich hoffentlich jedem das Zimmerupgrate am nächsten Tag!?

Vikunyas. Zwei Jungbullen (rechts) streiten soeben darum, wer der Chef über das Harem werden soll.

Der lausige Versuch den ehrfürchtigen Anblick des Canyons angemessen widerzugeben.

Bei Rückkehr nach Arequipa war erstmal außer Wäsche abgeben, Netflix und Pennen gar nichts angesagt. Einer der größten Vorzüge einer dreimonatigen Reisezeit besteht darin, wie ich so weit ich mich erinnere bereits erwähnte, darin, einfach mal ein, zwei Tage mit Rumgammeln zu verbringen. Seele baumeln lassen, wie man so allenthalben zu sagen pflegt. Die folgenden zweit Tage wurden somit mit etwas Kultur, gutem Essen, einer Rafting-Tour und einem vollkommenen Absturz verbracht.

Klöster und Kirchen sind mir seit jeher ein Graus. Sei es bei gezwungenen Pflichtbesuchen als Kind oder auch als Erwachsener. Meist kann ich dem Sakralmist wenig abgewinnen, insbesondere da für mich und auch tragischerweise oft genug aus eigenen Reihen unter Beweis gestellt, die katholischen Würdenträger traditionell ein Haufen von raffgierigen, verlogenen Gaunern ist. Das Kloster Santa Catalina inmitten von Arequipa ist indes ein Hort des Friedens und der Entspannung. Da beinahe von der Größe eines ganzer Stadtteils, kann man dort mühelos einen ganzen Morgen verbringen.

Santa Catalina 2. Viele Besucher waren außer mir nicht dort....

Joe, Danny (zwei junge Burschen aus Manchester) und ich beim Anfang vom Ende. Spätestens als meine Kiefer die Made aus der geleerten Mezcal-Flasche zermahlten, war der Absturz nicht mehr aufzuhalten. Ein grandioser Abend!!


Trotz Katers gab es am nächsten Tag Kultur. Juanita ist für Südamerika in etwas das, was Ötzi für den Alpenraum. In jungen Jahren, aus reichster Familie stammend, den Inkagöttern geopfert. Große Ehre hin und her, toll wird die junge Frau das sicherlich nicht gefunden haben!

Wasserwerfer auf peruanisch. Angsteinflößend wirkt diese museale Karre nicht so richtig.

Im Nachhinein betrachtet wirkt das optimistische und fröhliche Gesinge der Peru-Fans grotesk. Die beiden Briten und ich haben selten ein lausigeres Länderspiel (WM-Quali, Peru - Equador, Endstand 1:1) ansehen müssen.

Der Abschied von den Beiden wurde mittels einer Rafting-Tour auf den Rio Chill besiegelt.




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von Lima zum Touristenmoloch Cusco

lost in space (Iquitos - Tarapoto - Chachapoya - Chiclayo)

Reserva Natural Tambopata / Puerto Maldonado