Iquitos, Dschungel und zurück (endlich fertiggestellt)

Nun hänge ich bereits seit einer Woche in Iquitos ab; der viertägige Trip in den Regenwald sei erstmal außer Acht gelassen; und bin mir immer noch unsicher, ob ich nicht hier noch ein paar Tage verweilen sollte, oder doch eher Hals über Kopf verschwinden. Hört jemand Aussagen von Menschen wie "Iquitos ist wie alle anderen Großstädte dieser Größenordnung auch" (etwa 200000 Einwohner), darf dieser nicht den Fehler machen diese Personen im weiteren Gesprächsverlauf für voll zu nehmen, denn entweder sind sie Bewohner dieser Stadt und haben ebensolche niemals auch nur einen Meter verlassen, oder es sind einfach mal weltferne Kretins. Iquitos ist wahrheitsgemäß überhaupt nicht wie andere mittelgroße Großstädte. Das fängt schon damit an, dass der Ort lediglich mit dem Flugzeug oder durch eine langwierige Bootsfahrt zu erreichen ist und hört damit auf, dass etwa 50% der Einwohner in einem aus Stelzenhäusern bzw. Stelzenbarracken bestehenden Stadtteil namens Belen wohnen. Dieser ist wiederum in Belen alto (oben) und Belen bajo (unten) aufgeteilt. Belen alto ist okay, hier kann der interessierte Tourist ohne größere Probleme über den Wochenmarkt flanieren. Aber aufgepasst, nur 10 Treppenstufen unaufmerksam nach unten getrottet und schon ist nur noch wenig okay. Dann ist man in Belen bajo gelandet und dort ist Sicherheit für Touristen kaum garantiert. Nur ein sich massiv überschätzender Gefahrensucher macht in dieser Situation nicht umgehend auf der Schuhsohle kehrt. 

Architektonische oder gar kulturelle Highlights werden vom vielseitig bewanderten Touristen vergeblich gesucht. Vielmehr ist der Besucher stets einem ungeheurem Verkehrslärm, ausgelöst durch lausig motorisierte, aus Indien importierten Tuktuks, ausgesetzt, dem man nur durch ausgedehnte Barbesuche entgehen kann. Bars sind, vermutlich genau aus diesem Grunde, für südamerikanische Verhältnisse erfreulich häufig vorzufinden!

Landung Iquitos. Das Wetter lausig, der Flughafen nicht minder. Was hatte ich hier zu erwarten??

Einer der Sehenswürdigkeiten von bzw. "nahe" der Stadt ist die Auffangstation für Tiere. Hier finden sich Tiere die entweder von einer Spezialeinheit der Polizei auf dem Markt Belen konfisziert wurden, oder verletzt von tierlieben Menschen aufgefunden und dorthin gebracht wurden. Da ich schon immer einen Manati sehen wollte, dies aber nie, trotz großspurigsten Ankündigungen diverser Tourveranstalter geklappt hat, war der Besuch dieser Station ausnahmsweise mal geplant. Die meisten der derzeit acht dort aufzupäppelnden Tiere weisen Harpunen-Verletzungen auf. Dazu fällt mir nichts mehr ein!

Die oben genannten Tuhtuks in Aktion. Da diese Straße die mit Abstand größte Straße des Ortes ist, kann anhand des Bildes das Chaos auf den Straßen leider nicht nachempfunden werden.

Zeugnis wohlhabendster Jahre ist dieses Gebäudefragment. Im Jahre 1876 entdeckte man in Brasilien Kautschuk zur Gummigewinnung und auch dessen Nutzen. Zügig kam Goldgräberstimmung im Amazonasgebiet Südamerikas auf. Städte wie Iquitos oder Manaus wuchsen wie Bakterienansätze in einer Petrischale. Der schier grenzenlose Wohlstand nahm ein jähes Ende als ein britischer Moralschuft Ende des 19. Jh. tausende Kautschuksamen und Stecklinge in "the name of the british crown" nach Malaysia schmuggelte. Durch die billigere Kautschukproduktion südostasiatischer Plantagen verebbte der unverhoffte, großzügige, wie kurzzeitige Geldsegen in Südamerika. Erfreulicherweise ist es knapp ein Jahrhundert später den ansässigen Zeitgenossen gelungen, diesen Verlust durch überteuerte und mäßig organisierte Dschungeltrips zu kompensieren. 
 
Ein Marktstand in Belen bajo. Der nur mit minimalen Grundzügen innerhalb der Herpetofauna belesene Mensch bemerkt hoffentlich schnell: hier werden nicht nur Fischfilets zum Kauf feilgeboten.

Der näheren Illustration dient diese Fotografie. Hier sieht der Beobachter, von sicherer Flussseite aus betrachtet, einen Randbereich von Belen bajo. Ein, was sag ich, zwei Gratisbier für denjenigen, der hier ,ohne wenn und aber, einen ganzen Abend durch die Gegend schlendern würde. Als Extrathrill empfehle ich eine wertige Spiegelreflexkamera um den Hals. Da würde ich auf vier Bier aufstocken.

Obschon mein Plan war, diesen Blogeintrag heute fertigzustellen, scheitere ich abermals an den Vorzügen von Pisco-Sour. Anders ausgedrückt: ich bin stramm wie ne Natter. Nüchtern und eloquent betrat ich einst diese nette Hotelbar, ein nicht ernstzunehmender Gringo wird sie verlassen. 

Wie eindeutig festzustellen ist, dauert es einige Zeit bis ich diesen Eintrag hab fortsetzten können. Exakt waren es drei Tage. Nachdem ich also, leicht torkelnd, den sehr angenehmen Gartenbereich, des mit einer hervorragenden Bar bestückten Hotels verlassen hatte begab ich mich schnurstracks in meine deutlich bescheidenere Herberge zwecks "mich aufs Bett zu werfen und augenblicklich wegzunicken". Dieses Vorhaben konnte auch beinahe zufriedenstellend umgesetzt werden, hätte ich nicht bereits eine lose Verabredung gehabt. Als mein Handy nun etwa eine Stunde später mehrfach sein WhatsApp-Piepen verlauten lies, überkam mich ein schlechtes Gewissen und ein hohes Maß an Nachdurst. Also raus aus der gemütlichen Position ab zum Büdchen Wasser kaufen und dann zum Date mit Philipp und Katalina, die mit mir auf dem gleich zu beschreibenden Dschungeltrip anwesend waren. 

An dieser Stelle kürze ich ab. Das gemeinsame Essen verlief noch moderat, mit dem ersten Fuß jedoch, den einer von uns Dreien in den Club gesetzt hat, lief alles vollständig aus dem Ruder. Und weil es so schön war, haben wir das Ganze am nächsten Tag direkt wiederholt. Einem spontanen Hilfeschrei meiner Seele und meiner Organe ist es geschuldet, dass ich am Tag drei aus heiterem Himmel die Stadt mit einem Boot verlassen habe. Besser war das wohl. Aber wenn ich den Namen Iquitos höre, werde ich schon ein wenig sentimental, wenngleich ich mich an die Partytage nur noch sehr bedingt und lückenhaft erinnern kann.

Zeitlich geht es nun munter zurück zum Iquitos-Aufenthalt kurz vor der Dschungel-Tour. Für nicht peruanisch aussehende Touristen stellt ihre Optik ein zumindest mittelgroßes Ärgernis dar. Sie werden augenblicklich erkannt, der Blutdruck der Reibach witternden Tourenverscherbler steigt merklich, zeitgleich verengen sich die gierigen Pupillen. Ran an das auf zwei Beinen rumlaufende Sparschwein - Schlachtenszeit! Im sehr unangenehmer Zeitfrequenz wurde ich zugetextet. Viele Händler bei sehr wenigen Touristen lässt die Frequenz des Angelabertwerden coronabedingt auf mindestens zehn pro 30 Minuten  anwachsen. Ich blieb eisern, keiner kam an meine Moneten! 
Bis zu dem Zeitpunkt, als ich ahnungslos meine Wäsche aus der Wäscherei abholte und ich plötzlich auf dem Rückweg zum Hotel an einer Kaschemme auf ein Bierchen eigeladen wurde. Wer könnte da nein sagen? Ich auf jeden Fall nicht. Ein Bier kam zum nächsten, ein Wort gab das andere und schon fand ich mich am nächsten Morgen mit gepackten Sachen in einem Touren-Office wieder, wurde trotz vermeintlichen Verhandlungsgeschicks großzügig übervorteilt und begab mich abermals auf die Reise in den Regenwald. Vier Tage, drei Nächte dauerte der Trip. Mein Guide Jimmy, welch Wunder, der leicht verrückte Bruder der Office-Chefs. Diesen, wie auch viele andere, kannte ich allerdings schon vom vorherigen Abend, der, wen überrascht es, selbstverständlich auch wieder längerer Dauer war.

Die einfache Lodge, auch Base Camp genannt, wurde nach etwa sechs Stunden erreicht. Davon entfielen drei Stunden auf die Autofahrt nach Nauca der Hafenstadt und weitere drei Bootsstunden zur Lodge. Über den Trip lässt sich ansonsten nicht viel sagen, außer dass er okay war. Das wird vermutlich der letzte Versuch dieser Art gewesen sein, da ich einfach schon viel zu viel gesehen habe und daher meine Ansprüche an einen Standardtrip viel zu hoch sind. Wenn überhaupt, muss ich mindestens für 14 Tage ins tiefste Unterholz kraxeln, damit ich die Tiere zu sehen bekomme, die mir auf der Liste noch fehlen.

Zwischenstopp im letzten Dorf vor der Lodge zwecks Bierkauf. Links Jimmy, der Guide, rechts der Bootskapitän Angel. Leider sieht man hier nicht, wie sportlich die Bewohner so sind. Tagsüber sind hier drei Beachvolleyballnetze gespannt, die alle von den Kids besetzt sind. War mächtig überrascht wie gut die Jungs und Mädels so spielen konnten. Andererseits, was sollen sie sonst auch machen? Die etwas Älteren wissen es; Kinder machen. Von den 320 Einwohnern sind etwa 80% Kinder.

Laden (mit wenigen Produkten) und Kneipe zugleich. Der Besitzer ist sehr stolz auf die Überreste des einst von ihm erlegten Buschmeisters. Da der Kopf fehlt muss diese Giftviper mindestens drei Meter gemessen haben.

Auslöser des größten Ärgernis dieser Tour ist der Fang dieser Anakonda. Nach plötzlicher Sichtung dieser Anakonda war der mutige" Jimmy nicht mehr zu bremsen und machte der Schlange sich zu Untertan. Ursprünglich wollte ich ein cooles Bild von mir posten, auf dem das Reptil mir von den Schultern hängt, während ich sie tapfer halte. Als ich mir die Fotos zurück im Hotel jedoch genauer betrachtete, traf mich der Schlag: die Schlange war blind, beide Augen milchig, der ganze Zinnober ein Fake. Vermutlich wird die Schlange von den Dorfbewohnern des vom Fundort nicht fernen Örtchens gefüttert und bei Bedarf prahlerischen Nietenguides zur Verfügung gestellt. Echt zu Kotzen!!

Die Vogelspinne hat er allerdings wirklich ohne Zögern mit seinen Händen gepackt. Ich finde das von Philipp geschossenen Bild ganz prima; oben am Kopf abgeschnitten, kommt mein irrer Blick noch überzeugender zur Geltung. Leider das Gerstenkorn ebenfalls.

Diese Schlange (Mussurana) ist wenigstens kein fake, hat der Depp allerdings vollkommen falsch bestimmt und als giftige Korallenschlange bezeichnet. Hier handelt sich eindeutig um ein Jungtier der o.a. Schlange, die als erwachsenes Tier vollkommen schwarz ist. Zwar auch giftig, aber nicht lebensbedrohlich.

Ein Glücksfall. Normalerweise finden sich Mönchsaffen nur fernab der menschlichen Zivilisation. Dieses Tier und sein Rudel konnten wohl den verlockenden Früchten nicht widerstehen.

Total gerädert vom sinnlosen Rumlatschen in der Hängematte. Kein Auge habe ich dort zugetan. Hängematten sind für eine Nacht einfach scheiße!! Von den Moskitos dort ganz zu schweigen. Erst sind wir vier Stunden mit dem Boot in den vorgeblich grandiosen Regenwald gefahren, um dann bei der folgenden Wanderung festzustellen, dass hier nichts, aber auch gar nichts unberührt ist. Zahlreiche illegale Holzfäller begeben sich Tag für Tag in den Regenwald und holzen alles ab, was man zu Geld machen kann. Daher haben wir auch mein Toptarget, das Zwergseidenäffchen, obgleich vom Guide versprochen, nicht zu sehen bekommen.

Was am Vortag noch nicht zu erkennen war, kam am nächsten Morgen erschreckend deutlich zum Vorschein: die illegale Baumernte. Innerhalb von nur einer Nacht haben die eifrigen Ökoschweine mindesten 20 von diesen Baumflößen auf den Fluss verfrachtet. Ziel ist der illegale Markt in Iquitos. Die zuständige Behörde schaut weg, wird sie doch tüchtig von der Baum-Mafia geschmiert!

Am letzten Morgen des Ausflugs. Wir haben alles versucht. Egal auf welcher Seite des Flusses wir das Boot auch gestellt haben, der Adler kam immer von der falschen Seite zu unserem Fischköder. Ich glaub da nicht an Zufall, das Tier hat uns verarscht, wohlwissend, dass so mehr Fische für ihn auf der Habenseite stehen!





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